Prof. Oswald Oberhuber ehem.

Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. 1995

 

Das Unfassbare

Das Phantastische drückt sich bei Pedevilla alias Peter Verwunderlich in verschiedenster Form aus. Er erzählt und er reduziert, er schematisiert die figuralen Abläufe. Es ist eine Art Skizzierung des Gegenständlichen und Ungegenständlichen. Er praktiziert ein Nebeneinander von Aussagen, die sich widersprechen und sich dann in einer bestimmenden Genauigkeit wieder treffen. Das Gefühl spielt sich nach vorne und die Farbe widerspiegelt die Wiederholung der Linearen Beschreibungen einer unbestimmbaren Geschichte flächig. - fast wie im Mittelalter – verbleiben die unfassbaren Bilder, sodass wir überleiten können und eine andere Aussage erfassen, sie zum Unbegreiflichen des Phantastischen führen.


o. Univ. Prof. Dr. Manfred Wagner

Professor für Kultur und Geistesgeschichte an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. 1995

 

Peter Verwunderlich war Student an der heutigen Universität für angewandte Kunst Wien und zählte zu ihren besten Absolventen nach 1945. Ausgebildet beim phantastischen Realisten Wolfgang Hutter (emeritiert 1996), zeigte er schon früh seine spezifische Art der Weltsicht, die er seitdem in vielen – auch in Ausstellungen – sehr beachteten Arbeiten immer wieder der Verwandlung unterwarf.

Er ist in seinen Arbeiten prinzipiell auf den menschen konzentriert und dessen sinnlicher Erfahrungswelt, wobei er grundsätzlich von einer sozial durchmischten Gesellschaft ausgeht, also nicht sich auf bestimmte Schichten konzentriert, sondern die Möglichkeit der Verständigung zwischen allen sozialen Gruppierungen sucht.

Ich finde als Kunsthistoriker, aber auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Kunst diese Idee faszinierend, weil sie ein zentrales Thema der zeitgenössischen Kunst ist, die Partizipation des Publikums als Aktivum mit einschießt. Es ist das genaue Gegenteil der gegenwärtigen Kunstpraxis, wo auch einzelne Kunstgegenstände einem privaten Besitzer gehören (analog zum Projekt!), dann aber für teure Ausstellungen zusammengesucht werden und daraus ein Katalog entsteht, der ja nach kuratorischer Qualität mehr oder weniger die Zufälligkeit der Auswahl beinhaltet.

Er wagt sich nicht nur an den gefährlichen Topos des Kreuzweges mit seinen vierzehn Stationen und seinen inhaltsschweren Botschaften, sondern auch an die Frage der Ethno-Kunst, wenn er in monokultur-apfelsaison 1983 Südtirol auf einen Nenner bringen möchte. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit artikuliert er Hygienefragen für die amerikanische hausfrau oder die spitze Frage von er & sie , zeichnet selbstverständlich Akte mit Khole und entwickelt Rezeptionen wie „ das nächtliche theater“ a hommage a Werner Schwab (volksvernichtung). Und mit der gleichen Selbstverständlichkeit behandelt er emanzipiert, ohne Pathos und „ cool“ - würde eine jüngere Generation sagen – die so oft artikulierte Bildformatfrage in paspartout, in dem er das Gegenteil der Norm thematisiert: das Bild als leere weiße Fläche, im 20. Jahrhundert mit der Bedeutung der Stimmung geadelt, das Paspartout als Bildträger, als Themengeschichte, die viele Varianten gleichzeitig enthält. Auch mensch und natur arbeitet mit einem ähnlichen Ansatz, einer hochintelligenten Antipode von Mensch und Natur als getrennte und doch symbiotische Welterfahrung, sprachlich klug und alle Varianten des Prozesshaften ebenso einschließend wie die symbiotische Integration des Lebens.

Verwunderlich kennt keine Moden und auch keine direkten Vorbilder, er isoliert seine Arbeiten durch die Fragestellungen , die er sich gibt, die inhaltlichen Lösungen, die er findet und die deutlichen Reflexionen, deren Ansätze er gar nicht verleugnet. Hier wird fast in einem multikulturellen Kontext sichtbar, wie Bildsprachlichkeit heute entsteht und verstanden werden kann, welche Synopsen zu ihrer Ausformulierung beigetragen haben und welche geheimnisvolle Kraft dem kreativen Individuum zur Verführung steht, wenn es nur auf sich, in sich hinein und auf jene einflusstragenden Faktoren des eigenen Überlebens hört. Dann ist Malerei – selbst solche, die leicht verständlich ist und viel erzählt – keineswegs in Frage zu stellen.


Prof. Wolfgang Hutter ehem.

Leiter der Meisterklasse für Malerei an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. 1995

 

Es ist keine neue Mitteilung von meiner Seite her, dass die Malerei nicht immer der genaue Bericht der Natur oder des Menschen ist.

Vor allem in in unserem Jahrhundert ging der Maler nicht mehr mit Aquarellblock oder Feldstaffelei auf die Wiese oder in die Berge an den Strand oder in das Portraitstudio. Ganz anders arbeitet der Maler, von dem in diesen Zeilen berichtet wird.

In dieser Situation in welcher sich dieser Maler befindet, müssen wir die Beschauer, diesem in sein Gehirn folgen.

Diese neuen Bilder entstehen im Kopf und dieser Kopf ist eine neue Welt in unserer Welt. Nur am Rande kommen in diesen Bildern noch Erinnerungen an unser all gemeingültiges optisches Alphabet vor.

Man ahnt nur in kleinen Andeutungen den Menschen den Raum oder unsere Umgebung. Man solle aber nicht enttäuscht sein, denn man gewinnt die neue Natur oder die neue Gegenständlichkeit unseres Malers dazu.

Wenn man Gewillt ist, diese Reise in eine neue Welt anzutreten, hat man für sich eigentlich nur gewinn: neue Räume, neue Figuren und neue Gegenstände sind zu sehen.

Auch das Material beginnt sich bei unserem Maler zu verändern. Bilder haben Öffnungen, werden zuTrapezen oder malen sich seitwärts in einem Anhang weiter. Auch gefundene Materialien werden zum Bild dazu genommen oder verändern die glatte Oberfläche des Bildes. Alle diese Veränderungen sind teilweise mit Humor und Überraschungseffekten bestückt. Ein feiner und delikater Farbgeschmack überzieht diese sogenannten „neuen Bilder“.

Der Beschauer möge mit freundlicher Neugier diese Kunstwerke betrachten , er könnte eine köstliche Ferienreise aus seiner eigenen Vorstellung heraus unternehmen und mit Gewinn wiederum in sein eigenes Wesen zurückkehren.


Univ. Doz. Dr. Konrad Paul Liesmann

Institut für Philosophie der Universität Wien 1995

 

Wer sich selbst einen sprechenden Namen gibt, provoziert eine Auseinandersetzung mit der Sprache dieses Namens. Als Künstler nennt sich Peter Paul Pedevilla Peter Verwunderlich. Ein Name, der selbst schon als ästhetisches Programm gelesen werden könnte auch dann wenn damit nicht mehr bezeichnet sein soll als de Zustand eines schaffenden Menschen: jemand ist verwundert. Deshalb erlaubt diese Namensgebung auch eine Reihe von Assoziationen Verwunderung ist mehr, ist etwas anderes als Staunen – es ist ein Blick auf die Welt, der die Erfahrung machen muss, dass es tatsächlich noch etwas zu sehen gibt. Ob dieses Sehen glückhaft ist oder einen Schock auslöst – das macht eine weitere Spannung dieses Namens aus, der zwischen dem Wunder und der bös verzerrenden Vorsilbe Ver- oszilliert: möglich dass Verwundern ursprünglich ähnlich konstruiert war wie Verwünschen. Im Verwunderlichen steckt aber noch mehr: das seltsame, abseitige, einsam-verschrobene aller Kunst. Schuberts Leiermann aus der Winterreise, vielleicht das ergreifendste Bild des Künstlers das wir kennen, wird als “wunderlicher Alter“ bezeichnet. Und, auch wenn es etymologisch nicht gerechtfertigt ist, erhält das Verwunderliche auch noch die Wunde zumindest als unüberhörbare lautliche Assonanz: das Verwunderliche rührt auch an das Verstörende, an das Verletzende und Verletzliche.

 

Die Arbeiten von Peter Verwunderlich scheinen der Namensgebung zu entsprechen. Was an ihnen vorab verblüfft, ließe sich vielleicht als gegenständliche Zartheit bezeichnen. Dass Verwunderlich dabei das inhaltliche Sujet nicht scheut, ja geradezu sucht, muss verwundern. Irritierend, wie unbekümmert um die Moden und diversen verordneten Richtungen der Künstler seinen Weg geht: eine zwischen Naivität und Raffinement pendelnde, sich entwickelnde Mischtechnik, eine ausgeprägte zeichnerische Gestaltung, eine sensitive, aber sparsam und deshalb umso wirkungsvoller eingesetzte Palette und ein unübersehbarer Ernst in der Behandlung einer jeden Thematik, der wohl manchmal ironisch umspielt wird, nie aber ins Blasphemische, Karikaturhafte oder nur Skurrile abgleitet. Solche Bilder laden zur Auseinandersetzung ein, zu Entdeckungen, manchmal zu einem Stirnrunzeln: wunderliche Arbeiten.

 

Von Paul Klee dem Peter Verwunderlich wohl einiges verdankt, stammt der Satz: “die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Verwunderlichs Arbeiten sind nicht realistisch. Sie bilden die Welt nicht ab. Sie sind aber auch nicht abstrakt., sondern halten an einer Figürlichkeit fest, die oft traumhaft anmutet, ohne surreal zu sein. Dazu schrieb der Künstler einmal: “die heutigen Tatsachen realistisch zu malen verkraftet keiner mehr. im übrigen fühlt sich das fernsehen dazu verpflichtet und das Foto. surrealistisch die Tatsachen malen kann sehr schnell als zu persönlich hingestellt werden. rein phantastisch zu malen kann hingegen zu treffend sein. abstrakt hat den Vorwurf : das kann ich auch.“ Damit hat Peter Verwunderlich wohl eine treffende und pointierte Beschreibung der malerischen Situation geliefert. Um deren Gefahren zu entrinnen, hat er für sich selbst deshalb die Bezeichnung “Phantastischer Realismus“ angenommen. Es wäre allerdings verfänglich, ihn schlicht mit der Wiener Schule gleichen Namens zu identifizieren. Eher geht es ihm darum, die verschiedenen, oft einander widersprechenden Elemente und Richtungen der Malerei zu einer Einheit zu führen, die zum unverwechselbaren eigenständigen Charakter dieser Werke führt.

 

Eine späte Arbeit von Peter Verwunderlich trägt den Titel “die Veränderung“ Abstrahierte Figuren mit leeren Kopfgesichtern schreiten in einem gemessenen Tempo von links nach rechts aus dem Bild, unschwer als Maler zu erkennen, denn sie tragen ihre Bilder in ihren geometrischen Körpern: dahinter ein stilisiertes Gebirge, es können auch gefaltete Zeitungen sein, darüber ein tiefblauer Himmel, davor – ja vor dem Bild ein doppeltes Fensterkreuz. Der Betrachter sieht nicht nur ein Bild, er wirft auch einen verwunderlichen Blick aus seinem Fenster auf eine seltsame Prozession, die draußen vorüberzieht. Ohne es vielleicht bewusst gewollt zu haben, hat Verwunderlich damit noch eimal eine allerdings inverse Allegorie jener Malerei gemalt, die im Wiener Gemälde von Vermeer ihren gültigen Ausdruck fand. Während dort der Betrachter in einen Raum blickt, indem der Maler und sein Modell bei ihrer rätselhaften Arbeit sind., blickt der Betrachter aus Verwunderlichs Bild nach draußen, wo die Kunst, sich verändernd, einsam vorüberzieht. Die neugierige Schlüssellochperspektive des Niederländers weicht einem risikolosen Blick aus einer Behaglichkeit, der die Kunst fremd geworden ist. Die Stäbe des Fensterrahmens sind gleichzeitig jene Gitter, von denen nicht gesagt werden könnte, ob sie das Ghetto der Kunst oder das Gefängnis der bürgerlichen Welt darstellen. Die sie Arbeit, in ihrer großen Ruhe, ohne anklägerisches Pathos, ohne kämpferisch-wehleidiges Gehabe sagt wohl mehr über die Situation des Künstlers und damit über Peter Verwunderlich, als viele rasch hingeworfenen Worte.